Spitze in Sport und Studium: Online-Wahl Sport-Stipendiat des Jahres 2021 gestartet

Hannah Gablac | 1995

Länderspiele | 109
Tore | 22
1. Platz Europameisterschaft 2018


Hier abstimmen für Hannah Gablac


Hannah, wie hast Du die Corona-Zeit und die Verschiebung der Olympischen Spiele erlebt?

Für mich persönlich war die Olympia-Verschiebung mehr Vor- als Nachteil. Nach dem Ursprungsplan hätte ich mein drittes Staatsexamen erst nach den Spielen von Tokio gehabt und das „PJ“, das Praktische Jahr, das wir Mediziner zum Ende des Studiums absolvieren müssen, auf zwei Jahre gestreckt, um den zeitlichen Anforderungen der beiden Fronten gerecht werden zu können. Durch die Verschiebung konnte ich nun „nur“ das PJ machen, direkt das Staatsexamen ablegen und mein Studium somit in Regelstudienzeit noch während der Corona-Zeit beenden – und hatte damit den Kopf und meine ganze Energie für die Vorbereitung auf Olympia 2021 zur Verfügung.

Leider wirst Du jedoch nicht nach Tokio fahren, weil sich der Bundestrainer letztlich für andere Spielerinnen entschieden hat. Was hat die Nichtnominierung mit Dir gemacht?

Es war der absolute Alptraum, zumal es mir vor Rio 2016 ja schon ähnlich ergangen ist. Es hat sich zunächst einmal sehr stark nach Scheitern angefühlt. Ich hänge sehr stark an diesem Team, mit vielen Mädels spiele ich zusammen, seit wir 14 Jahre alt waren, seit 2013 bin ich Teil der A-Nationalmannschaft – die „Danas“ sind für mich wie eine Familie. Das Ziel Olympia hat mich immer angetrieben und nach jedem Rückschlag zum Weitermachen motiviert. Jetzt diesen Lebenstraum wieder nicht erleben zu dürfen, das war und ist schon sehr hart für mich.

Kannst Du dennoch etwas Positives daraus ziehen?

Mit ein paar Tagen Abstand habe ich realisiert: Es geht beim „Projekt Olympia“ um so viel mehr als nur um die Teilnahme an diesem Turnier an sich. Auf dem Weg dorthin entstehen wahre Freundschaften, man sammelt Erfahrungen fürs Leben, erfährt große ehrliche Emotionen und lernt viele verschiedene Menschen- und vor allem sich selbst- in den unterschiedlichsten Situationen und Ausnahmezuständen kennen. Der Leistungssport hat mir so unglaublich viel gegeben – vielleicht keine olympische Medaille, aber eben viele Dinge, die mir viel bedeuten und mich zu dem gemacht haben, was ich bin. Bestimmt kann man sich das nicht um den Hals hängen oder in den Lebenslauf schreiben. Aber ich bin auch so unendlich dankbar für diese einzigartige und lehrreiche Zeit und würde es wieder wagen.

Das klingt ein bisschen nach Karriereende?

Nein, das lasse ich mir bewusst noch offen. Die vergangenen Monate waren für Körper und Kopf sehr intensiv: eine verrückte Bundesliga, der Europapokal, die Playoffs, die Deutsche Meisterschaft, dazu das ganze Training, die Anspannung, der Nominierungslehrgang, die Nominierung an sich und die sehr besondere EM. Nebenher das eigene „normale Leben“. Alles das war viel und ging irgendwie so wahnsinnig schnell. Schlag auf Schlag, ohne viel Zeit mal was zu verarbeiten oder sich andere Gedanken zu machen. Ich werde mir nach all dem erstmal ein bisschen Zeit für mich nehmen und Abstand gewinnen. Momentan ist es noch frisch und emotional, da möchte und kann ich nichts entscheiden. Es spielen in Zukunft natürlich auch noch andere Faktoren als Hockey eine Rolle. Aber grundsätzlich es macht mir einfach noch immer sehr viel Spaß, mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen. Das ist ein großes Privileg. Jetzt aber erstmal durchatmen. Ich freue mich auf das was kommt- auch wenn ich noch nicht weiß, was genau das sein wird.

Vor allem im Vergleich zum Berufsalltag im Krankenhaus. Was hast Du aus Deiner Zeit dort mitgenommen – gerade in Zeiten von Corona?

Auf der Lungenfachstation, der Pneumologie, habe ich Menschen erlebt, die schwer an Corona erkrankt waren und sich über Monate hinweg wieder ans selbstständige Atmen gewöhnen mussten. Wie sie gelitten haben, wie unendlich einsam sie waren und wie machtlos man selbst dagegen war. Das war einfach krass. Das relativiert Vieles: wenn zum Beispiel beim Training mal wieder die Hantelstange zu schwer ist oder im Sprint ein paar zehntel Sekunden fehlen. Das erscheint auf einmal ziemlich unwichtig.

Wie meinst Du das genau?

Auf dem Spielfeld denkt man oft: Alles was zählt, ist das nächste Tor zu schießen, das Spiel zu gewinnen oder sich für Olympia zu qualifizieren. In seinem persönlichen kleinen Kosmos ist das im Moment das allerwichtigste – und man vergisst die Welt da draußen, die sich eigentlich gar nicht nur um einen selbst dreht.  Ich habe nach dem PJ in einem Impfzentrum gearbeitet und Menschen geimpft, die manchmal vor Glück Tränen in den Augen hatten. Da habe ich oft wiederum gedacht: Das ist es, worum es geht. Ich war mein Leben lang immer „die Sportlerin“ und habe diese Rolle auch gut ausgefüllt. Es war krass, das mal so richtig zu fühlen, dass Sport- bei aller Liebe- echt nicht alles ist.

Während der vergangenen sechs, sieben Jahr dürfte es neben Sport und Studium zumindest nicht allzu viel anderes bei Dir gegeben haben.

Es war schon anstrengend. Mir fällt das Lernen zwar relativ leicht, was in der Medizin ein Vorteil ist. Aber einfach so zugeflogen ist mir nichts, weder im Sport noch im Studium. Ich habe phasenweise nur wenig anderes gemacht als gelernt und trainiert – vieles ist deswegen hinten runtergefallen. Irgendwie hat mir das meistens aber nichts ausgemacht, da ich für beides irgendwie eine Art große intrinsische Leidenschaft habe, die antreibt. Ohne diese Begeisterung geht es langfristig auch nicht, denn dieser Lebensstil fordert seine Opfer: Man steht früh auf, geht spät ins Bett und muss kontinuierlich dranbleiben und wirklich effizient sein. Ohne der ehrlichen Bereitschaft dazu, wird das schnell zur Qual. Ohne die Unterstützung der Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium wäre das nicht möglich gewesen. Irgendwann muss man ja auch noch schlafen .

Wenn Du nun auf die Wahl „Sport-Stipendiat:in des Jahres“ blickst: Wieso bist Du dabei?

Ich möchte zeigen, dass man sich bei der Frage „Leistungssport oder Studium?“ nicht für eine einzelne Seite entscheiden muss. Beides ist möglich und es ist ein Privileg, sich diese Frage überhaupt stellen zu dürfen. Ich selbst habe, vor allem zu Beginn und bei Rückschlägen, auch oft daran gezweifelt. Mich nicht nur einmal gefragt, ob dieser Weg tatsächlich der richtige ist, oder ob all die Mühen am Ende umsonst sein werden. Ich hätte mir in solchen Momenten gewünscht, jemand in der gleichen Situation hätte mir Mut gemacht und diese Bedenken genommen. Mein Eindruck ist, dass vor allem bei den jungen Mädels heutzutage nur noch Wenige diese Kombination wagen und stattdessen mit dem Sport aufhören, wenn die Garantie auf Spaß oder Erfolg nicht da ist. Das kann ich verstehen, finde es aber total schade. Und mit meiner Story will ich zeigen, dass auch Rückschläge dazu gehören und nicht immer direkt etwas Schlechtes sind – im Alltag wie im Sport. Wie gesagt, im „echten Leben“ relativiert sich Vieles. Aber es geht überall immer weiter. Steckt man Mühe und Herzblut in Dinge, die einen begeistern, ist es nie umsonst.

Valentin Altenburg:

„Hannah liebt Hockey. Sie ist als junges Mädchen von zu Hause ausgezogen, um die Hockey-Welt zu erobern. Zugetraut hat ihr das damals niemand. Außer sie selbst. 11 Jahre, 150 Nationalhymnen, ein erfolgreiches Medizinstudium und 50 Gablac-Tore für Deutschland später, ist Hannah ein Vorbild. Ein Vorbild für alle jungen Mädels und Jungs da draußen an sich zu glauben. Und ein Leuchtturm für die duale Karriere im deutschen Sport.“